Zero Waste Blog: Stoffwindeln – Kleines Höschen mit großer Wirkung!

Gut Zu Wissen

Noch bis vor wenigen Jahrzehnten war es völlig normal, mit Stoff zu wickeln. Anfang der Sechzigerjahre eroberte die Einwegwindel den US-Markt und kam mit rund 10 Jahren Verzögerung auch nach Deutschland. Die Folge: Inzwischen werden bei uns 8 Millionen Windeln täglich entsorgt. Der dabei entstehende Müll kann nicht recycelt werden, denn die Mischung aus Superabsorber, Plastik und Ausscheidungen lässt sich nicht mehr trennen. So landen rund 1,5 Tonnen Windelmüll pro Kind in den Verbrennungsanlagen – allerdings nicht rückstandslos. Es bleibt die sogenannte Schlacke, die im Anschluss gelagert wird, oft in alten Salzstöcken. 

Die wiederverwendbare Alternative von früher wird daher jetzt wieder neu entdeckt. Der Wunsch, weniger Müll zu produzieren, ist vielen (angehenden) Eltern vertraut. „Es ist ein gutes Gefühl, nicht täglich so viele Windeln wegzuwerfen. Das sind schon ziemliche Berge, die der Kleine bisher schon produziert hätte.” stellt ein frisch gebackener Papa zufrieden fest, der sich für die Nutzung von Stoffwindeln entschieden hat. 

Aber es gibt auch Vorurteile gegen die Stoff-Variante, die dann oft doch zur Einwegwindel führen. Für „Berlins Weg zu Zero Waste" – gefördert von der Stiftung Naturschutz Berlin – räumen wir mit den Mythen auf, um noch mehr Menschen von der umweltschonenden Alternative zu überzeugen.

1. Ein Kind kann sich in Stoffwindeln gut bewegen!

Ja, eine Stoffwindel muss zum Kind passen, damit sie gut sitzt – aber im Gegensatz zur Einwegwindel muss sie nicht stramm geschlossen werden und sitzt zudem deutlich besser auf der Hüfte, sodass Stoffwindel-Kinder sogar leichter in die Drehung kommen können.

2. Stoffwindeln verströmen wenig Geruch!

Früher wurden Stoffwindeln oft in Wassereimern gelagert. Heute wissen wir, dass das die Geruchsbildung verstärkt und lagern Stoffwindeln darum trocken. Und habt ihr schon mal an einer Einwegwindel gerochen? Die strömen meist schon vor der Nutzung einen unangenehmen Geruch aus.

3. Stoffwindeln sind gar nicht so anders!

Naja, natürlich bedarf es einer gewissen Umstellung, wenn jemand vorher Einwegwindeln gewohnt war. Aber unsere Kleidung und auch Geschirr waschen wir doch auch, anstatt es zu ersetzen? Und die Nutzung selbst unterscheidet sich je nach gewähltem Stoffwindelsystem kaum von der Einwegvariante.

4. Stoffwindeln sind hautfreundlich!

Die Wickelintervalle sind bei Stoffwindeln kürzer als bei Einwegwindeln, aber ist es wirklich erstrebenswert, ein Baby 12 Stunden lang in derselben Windel sitzenzulassen? Wird regelmäßig gewickelt, verursachen Stoffwindeln sogar seltener Hautprobleme als Einwegwindeln – auch, weil sie atmungsaktiv sind und im Gegensatz zu Einwegwindeln keine Wärme erzeugen. Dabei birgt zu viel Wärme die Gefahr, dass sich das Herabsenken der Hoden verzögert.

5. Stoffwindeln rentieren sich!

Über die Wickelzeit sind die allermeisten Stoffwindelsysteme deutlich günstiger als Einwegwindeln – vor allem, wenn Eltern Wert auf eine ökologische Einwegwindel legen. Beim zweiten Kind ist das Wickeln dann quasi kostenlos! Auch ein Weiterverkauf ist möglich. Zudem werden Entsorgungskosten gespart, denn der Restmüll, über den die Windelberge entsorgt werden, ist richtig teuer. Abschreckend können die einmaligen Anschaffungskosten dennoch sein. Manche Kommunen bieten Eltern darum einen Stoffwindelzuschuss an! 

Finanzieller Anreiz beim Windelkauf 

Immer mehr Gemeinden, Städte oder Landkreise bieten Eltern bei der Anschaffung von Stoffwindeln eine finanzielle Unterstützung. Dies passiert nicht aus Freundlichkeit: Entsorgungsunternehmen sind dazu verpflichtet, gemäß der bundesweit gültigen Abfallhierarchie zu arbeiten. Das heißt: Müll zu vermeiden ist besser, als Müll zu verwerten. Die große Menge Windelmüll, die jedes Baby verursacht, ist da ein guter Ansatzpunkt! 

Stoffwindeln erscheinen auf den ersten Blick kostenintensiv. Über die Wickelzeit sind sie aber nachweislich günstiger als fast alle Einwegwindeln – selbst, wenn wir Entsorgung und Verwertungskosten nicht einrechnen! Die hohe Erstinvestition für das Wickeln mit Stoff macht es Familien aber nicht immer einfach, sich gegen die altbekannte Einwegwindel zu entscheiden. Mit einem Zuschuss wird es einfacher, auf die natürliche und nachhaltige Alternative zurückzugreifen. Das Hauptargument für die Entsorgungsunternehmen, die oft den Kommunen angegliedert sind, ist die Abfallhierarchie, die aus dem Abfallvermeidungsprogramm des Bundesumweltministeriums hervorgeht. Sie besagt: Müll zu vermeiden, ist das oberste Ziel! Wie genau der Zuschuss gestaltet ist, bestimmt jede Kommune selbst: Im Jahr 2021 lagen die Zuschüsse in Deutschland zwischen 30 und 300 €. 

Ein Windelzuschuss für Berlin? 

Die Seite deine-stoffwindel.com (1) sammelt alle Stellen, die Stoffwindeln bezuschussen und betreibt Öffentlichkeitsarbeit, damit mehr Kommunen über einen Zuschuss nachdenken. In Berlin gibt es bisher noch keinen Zuschuss, auch wenn es bereits Bemühungen gab, die Politik auf das Thema aufmerksam zu machen. Um den Druck zu erhöhen, braucht es Aktivismus vor Ort – die Initiative deine-Stoffwindel.com hält unter anderem ein Musteranschreiben bereit, das ihr selbst nutzen könnt, um Politiker*innen oder andere einflussreiche Stellen anzuschreiben. 

Was Stoffwindeln noch bewirken können, zeigt ein Pilotprojekt vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und Zukunft Pflanzen e. V. / DYCLE (2). Im August 2021 hatten 20 Familien die Möglichkeit, zwei Wochen lang mit ihren Kindern vollständig kompostierbare Windeleinlagen zu testen. Die benutzten Windeleinlagen wurden dann abgegeben und zu Humus weiterverarbeitet, der als nährstoffreicher Boden vor Ort genutzt werden kann (3).

(1) https://deine-stoffwindel.com/

(2) https://dycle.org/de

(3) https://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/aktuelles/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1253140.php