Zero Waste Blog: Vielleicht zum letzten Mal

Feuerwerk Nathan Wright Pixabay
Staub, Krach und Verletzungen: Für etliche Menschen ist das Neujahrsfeuerwerk eine ziemliche Zumutung. Und auch die Umwelt leidet unter dem rituellen Raketenregen in der Silvesternacht. Aber es gibt Grund zur Hoffnung: Händler beginnen Feuerwerk aus dem Sortiment zu nehmen und sogar in die Politik ist etwas Bewegung gekommen.

Eines muss man der BSR lassen: Sie lässt sich die Laune nicht verderben und feiert gern auch die kleinen Erfolge. Am Nachmittag des 2. Januar twitterte sie, sie habe mittlerweile 350 Kubikmeter Silvestermüll eingesammelt, 2018 seien es um diese Zeit 100 Kubikmeter mehr gewesen.[1] Böswillige Zeitgenoss*innen könnten da auf die Idee kommen, die Leute in Orange hätten sich 2019 einfach nur mehr Zeit genommen. Oder sich einfach nicht weit genug durch die Stadt gearbeitet, denn erfahrungsgemäß findet man in Berlin Reste des Neujahrsfeuerwerks bis weit in den Februar.

Aber nehmen wir einmal an, die BSR hat Recht und das rituelle Geballer ging 2019 tatsächlich zurück, wäre das natürlich sehr zu begrüßen. Vor allem dann, wenn damit ein Trend für die nächsten Jahreswechsel begann. Wie geil wäre denn das: Wenn die Berliner*innen an den Tagen rund um den Jahreswechsel aus dem Haus gehen könnten, ohne um Augenlicht, Gehör und Gliedmaßen fürchten zu müssen. Wenn das Umweltbundesamt nicht registrieren müsste, dass die Feinstaubkonzentration so hoch wie nie im restlichen Jahr ist.[2] Wenn Haustiere (an keinem anderem Tag im Jahr entlaufen so viele von ihnen[3]) und Vögel unverstört ins neue Jahr kämen. Wenn das spezifische Müllgemisch aus Pappe (je nach Wetter mehr oder weniger aufgeweicht), Plastik, schwefelhaltiger Asche und Glas (von den Sektflaschen, die als Startbatterie dienen) nicht den Boden der ganzen Stadt bedeckte – tagelang, wochenlang.

Aber das ist die Realität: Von den Fahrbahnen mögen die Raketenreste relativ schnell verschwinden, dafür bleiben sie umso länger auf Bürgersteigen, Grünanlagen und Spielplätzen, in Gebüschen und Gewässern. Feuerwerksreste tun der Stadtnatur nicht besonders gut: Vögel naschen davon und natürlich kommen jede Menge Stoffe ins Grundwasser, die dort nichts verloren haben.

Schnitzel, Silvesterrakete und Flug nach Malle

Warum lässt ein Gemeinwesen eine derartig rücksichtslose und komplett sinnfreie Form des Feierns zu, wenn doch die Schäden seit Jahren bestens dokumentiert sind? Es ist der Populismus. Viele Politiker*innen lassen die Dinge lieber laufen, wenn sie den Volkszorn fürchten. Ob es der Zorn einer (im Wortsinne) lauten Mehrheit oder einer lauten Minderheit ist, ist nicht entscheidend (Apropos Mehrheit: Laut Umfragen spricht sich deutschlandweit eine deutliche Mehrheit für ein Verbot von Silvesterfeuerwerk in Innenstädten aus[4]). Aber die Knallfraktion ist eben lauter. Deshalb hat sie Unterstützung, etwa von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). „Dass es immer wieder Deppen gibt, die sich nicht daran halten, kommt leider auch in anderen Bereichen des Alltags vor“, ließ sie sich vom „Spiegel“ zitieren.[5] Es dürfe nicht sein, dass „diejenigen, die sich fehlverhalten, das Leben derer bestimmen, die sich ordentlich verhalten“. Nicht wesentlich anders argumentiert die berüchtigte amerikanische Waffenlobby in der National Rifle Association (NRA): Guns don’t kill, people do.

Die Angst, sich mit Verboten ein Spaßbremsenimage einzuhandeln, verhindert einen vernünftigen Umgang mit Feuerwerk. Vernünftig wäre, zumindest in Wohngebieten die Knallerei so zu regulieren, dass Schadstoffe und Immissionen deutlich reduziert werden. Genau das fordert der BUND, und zwar bundesweit[6]. Dazu müsste auf Bundesebene das Sprengstoffgesetz geändert werden. Einen Antrag, der ein wenig in diese Richtung geht, will Berlin nun im Bundesrat einbringen.[7]

Die Angst vor dem Spaßbremsenimage

Bis eine Änderung auf Bundesebene greift, können Kommunen Feuerwerk in bestimmten Bereichen verbieten. Düsseldorf tut es in der ganzen Altstadt, Göttingen auch, Tübingen, Lüneburg, Goslar, Celle und Quedlinburg sowieso, Hannover und Dortmund teilweise.[8] Und seit dem Jahreswechsel 2018/2019 gibt es auch in Berlin zwei kleine Flecken in Schöneberg und am Alexanderplatz, an denen nicht mehr geböllert werden darf. Zu einer dritten Feuerwerksverbotszone am Hermannplatz konnte sich der Innensenator aber nicht durchringen. Seine Begründung, so schlimm sei es dort ja nicht gewesen,[9] werden wahrscheinlich nicht alle Neuköllner*innen nachvollziehen können. Andererseits: Was bringen auf ein oder zwei Straßenzüge beschränkte Verbote, wenn direkt nebenan weiter gezündelt, geböllert, gesprengt und geschossen werden darf?

Immerhin sind einige Händler schon ein bisschen weiter. So will ein bekannter Baumarkt in seinen 96 Filialen in Deutschland und Österreich ab 2020 kein Feuerwerk mehr verkaufen, einzelne Geschäfte verweigern sich heute schon dem Knallgeschäft.[10]

Kurzfristig bleibt aber nur eine Hoffnung für raketenarmes Silvester 2019: stundenlanger starker Regen. In diesem Sinne: guten Rutsch!

Foto: Nathan Wright/pixabay