Zero Waste Blog: Reparieren leicht(er) gemacht

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Verschleiß ist normal, Wegwerfen aber nicht. Die Müllberge könnten wesentlich niedriger sein, wenn das Reparieren einfacher, günstiger und selbstverständlicher wäre. Nun gibt es aber einige Anzeichen dafür, dass die Bedingungen für ehrenamtliche und professionelle Reparateur*innen besser werden. 

Wer kennt nicht das wohlige Gefühl, der Wegwerfwirtschaft ein Schnippchen geschlagen zu haben? Ein neues Futter in Großvaters Konfirmationsjackett aus Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts macht die Anzugsjacke fast wie neu, dank Wechsel des Betriebssystems läuft auch der Laptop aus den Nullerjahren weiter und zum vielleicht zehnten Mal lässt man sich die uralten Lieblingsschuhe neu besohlen. Geht doch.

Umso ärgerlicher ist es, wenn relativ neue Geräte den Geist aufgeben und ihre reparierwilligen Benutzer*innen zur Verzweiflung treiben. Selbstverständlich würde sich die Reparatur der neun Jahre alten Geschirrspülmaschine finanziell lohnen – aber die Vertragswerkstatt des Herstellers bekommt den auszuwechselnden Dichtsatz der Umwälzpumpe nicht. Bei der sieben Jahre alten Kaffeemühle kann der auf Barista-Bedarf spezialisierte Reparaturservice das abgebrochene Teil des Elektromotors zwar bestellen, aber zusammen mit der Arbeitszeit würde die Reparatur mehr als das Doppelte einer neuen Mühle kosten. Und an das Repair-Café, in dem ehrenamtliche Tüftler*innen die Auswechslung des kaputten Verschleißteils kostenlos übernehmen würden, liefert der Mühlenfabrikant nicht.

Einige dieser Hürden sollen in Zukunft entfallen. Im Frühjahr 2021 ist die geänderte EU-Ökodesign-Richtlinie in Kraft getreten, die bei neu auf den Markt kommenden Modellen bestimmter Produktgruppen eine bessere Reparierbarkeit verlangt. Für neu in den Verkehr gebrachte Waschmaschinen und Trockner[1], Kühlschränke[2], Geschirrspüler[3] und Displays einschließlich Fernseher[4] müssen deren Hersteller dafür sorgen, dass die Geräte mit herkömmlichen Werkzeugen repariert werden können, dass Baupläne zur Verfügung stehen und dass alle Ersatzteile je nach Produktgruppe sieben bis zehn Jahre lang lieferbar sind, nachdem das letzte Modell über den Ladentisch ging. Gemessen an den heutigen Verhältnissen ist das ein großer Fortschritt.

Wer ist kompetent?

Gleichwohl bedeuten die Bestimmungen der Ökodesign-Richtlinie nur einen ersten Schritt. Außerdem wird gegenwärtig um ihre Auslegung gerungen, etwa um die Frage, wer Anspruch auf Ersatzteile hat. Nur kommerzielle Reparaturbetriebe oder auch ehrenamtliche Initiativen wie zum Beispiel Repair-Cafés? Selbstverständlich auch letztere, sagt der Runde Tisch Reparatur,[5] in dem auch der BUND vertreten ist, und kann sich dabei auf das Umweltbundesamt[6] und den Wortlaut der Richtlinie stützen. Diese fordert von den reparierenden Stellen fachliche Kompetenz und eine Haftpflichtversicherung. Diese Kriterien erfüllen in Deutschland alle Repair-Cafés, die im Netzwerk Reparaturinitiativen[7] Mitglied sind. Apropos Haftpflichtversicherung: Wie oft musste sie bislang für Repair-Cafés einspringen? Nach Angaben des Runden Tischs Reparatur gab es in den letzten Jahren einige wenige Fälle, in denen der Schaden aber nicht unmittelbar mit einem Reparaturvorgang selbst zu tun hatte. Mit anderen Worten: Ehrenamtliche Werkstätten stellen kein Sicherheitsrisiko dar.

Damit in Zukunft wieder mehr repariert wird, kommt es aber nicht nur darauf an, dass Ersatzteile lieferbar sind, sie müssen auch zu einem vernünftigen Preis zu haben sein. Dazu sagt die EU-Ökodesign-Richtlinie leider nichts. Eine weitere Schwachstelle: Das Kleingedruckte lässt es offen, ob die Ersatzteile einzeln oder in einem Satz angeboten werden müssen. Wie problematisch das sein kann, zeigt ein unlängst vom RBB-Fernsehen dokumentierter Fall.[8] Bei der Waschmaschine eines namhaften deutschen Herstellers ist das Lager kaputt. Zwar ist das Lager lieferbar – aber nur zusammen mit der ganzen Trommel, mit der es verschweißt ist. Für die Kund*innen bedeutet das, dass sie nicht nur mehr Geld für eigentlich nicht benötigtes Material zahlen müssen, sondern auch für einen erhöhten Arbeitsaufwand des Reparaturservices. Am Ende ist die Reparatur ähnlich teuer wie ein Neugerät der gleichen Bauart.

Pluspunkte für preiswerte Ersatzteile

Wie können Ersatzteile preiswerter werden? Ein interessanter Ansatz dazu kommt aus Frankreich. Das seit Anfang 2021 gültige Anti-Verschwendungsgesetz für eine Kreislaufwirtschaft[9] führt einen Reparaturindex ein. Dieser vergibt für neu auf den Markt gekommene Geräte eine Wertung auf einer Skala von einem bis zehn Schraubschlüsseln. Viele Schraubenschlüssel bekommt das Gerät, wenn es einfach auseinanderzubauen ist, wenn die Anleitungen verständlich sind und wenn die Ersatzteile nicht nur erhältlich, sondern auch günstig sind. Wie viele Schraubschlüssel ein Produkt hat, muss beim Verkauf deutlich sichtbar gemacht werden. Kleines Manko dieser Reglung: Die Hersteller vergeben sich selbst die Punkte.[10] Wie auch die EU-Ökodesign-Richtlinie gilt das „loi anti-gaspillage“ zunächst nur für ausgewählte Produktgruppen, nämlich für Smartphones, Laptops, Rasenmäher, Staubsauger und Waschmaschinen. Mittelfristig soll der französische Reparaturindex ausgeweitet werden – ebenso wie die Vorschriften zu Reparierbarkeit aus der EU-Ökodesign-Richtlinie. Derzeit prüft die EU-Kommission die Ausdehnung auf Smartphones und Tablets.[11]

So fortschrittlich der Reparaturindex aus Frankreich und die Vorgaben zur Reparierbarkeit der Ökodesign-Richtlinie sind, so klein ist doch der Bereich, den sie regeln, schließlich betreffen beide nur Geräte, die 2021 und später auf den Markt kommen. Bis diese Geräte das Reparaturgeschehen dominieren, wird es noch einige Jahre dauern. Aus Umweltschutzperspektive ist es ohnehin nicht anzustreben, den Gerätepark zu erneuern. Viel wichtiger wäre es, mehr für die Reparierbarkeit der Dinge zu tun, die zum jetzigen Zeitpunkt schon produziert und in Benetzung sind – also das Reparieren einfacher, günstiger und selbstverständlicher zu machen. Wie man heute schon die Reparaturkosten senken kann, zeigen Beispiele aus anderen europäischen Staaten.

Schweden und Österreich zeigen, wie es geht

Schweden erhebt seit 2017 nur noch den halben Mehrwertsteuersatz auf die Reparatur von Textilien, Schuhen und Fahrrädern. Wenn Handwerker*innen zu Reparaturen ins Haus kommen, können die Auftraggeber*innen die Hälfte der Reparaturkosten von der Steuer absetzen.[12] In Österreich führten mit Wien[13], Niederösterreich[14], Oberösterreich[15], Salzburg[16] und Kärnten[17] mehrere Bundesländer sogenannte Reparaturboni ein. Die öffentliche Hand übernimmt dabei 50 Prozent der Reparaturkosten bis zu einer Höhe von 100 Euro. Die Bilanz in Niederösterreich: 7.700 reparierte Elektrogeräte in zehn Monaten bei einem Fördervolumen von einer halben Million Euro. Nach Angaben der Landesregierung vermied diese Subvention 230 Tonnen Elektroschrott.[18] Für Anfang 2022 kündigte Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler einen bundesweiten Reparaturbonus an.[19]

In Deutschland startete Thüringen ein vergleichbares Projekt. Von Mitte Juni bis Mitte Oktober 2021 bezuschusste das Land Reparaturen von großen und kleinen Küchengeräten, Unterhaltungselektronik, IT- und Kommunikationsgeräten, Waschmaschinen, Trocknern, Fön, Rasierern, Staubsaugern, Bügeleisen, elektronischem Spielzeug, Gartengeräten, Werkzeug und Uhren. Wie in Österreich übernahm das Land die Hälfte der Kosten bis zu einer Gesamthöhe von 100 Euro.[20]

Wer repariert was?

Neben Geld spielen Informationen eine wichtige Rolle bei der Reparaturförderung. Nicht wenige Menschen wären durchaus bereit, in die Langlebigkeit ihrer Dinge zu investieren, wenn nur die Suche nach seriösen Reparaturbetrieben einfacher wäre. Auch hier kommt ein gutes Beispiel aus Österreich: Schon seit 1999 betreibt die Wiener Umweltberatung mit Förderung der Stadt eine Plattform, auf der Reparaturbetriebe gelistet werden.[21] Für den Rest der Alpenrepublik gibt es ebenfalls einen Reparaturführer.[22]

In Berlin fehlt bislang die große Plattform, auf der sich alle professionellen – kommerziellen wie ehrenamtlichen – Reparaturmöglichkeiten schnell und eindeutig identifizieren lassen. Immerhin hat die Senatsumweltverwaltung 2018 schon eine Studie zum Aufbau eines Reparaturnetzwerks in Auftrag gegeben.[23] Bis das große Netzwerk nach Wiener Vorbild steht, empfehlen wir weiterhin ReMap, die Zero-Waste-Karte des BUND.[24]

Beim BUND Berlin können defekte Dinge gemeinsam mit Expert*innen im Online Repair Café oder vor Ort repariert werden. Aktuelle Infos gibt es auf hier.[25]

Der Artikel wurde im Rahmen des Projekts „Berlins Weg zu Zero Waste“ erstellt, das von der Stiftung Naturschutz Berlin gefördert wird.[26]

 

[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.L_.2019.315.01.0285.01.DEU&toc=OJ%3AL%3A2019%3A315%3ATOC

[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.L_.2019.315.01.0187.01.DEU&toc=OJ%3AL%3A2019%3A315%3ATOC

[3] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.L_.2019.315.01.0267.01.DEU&toc=OJ%3AL%3A2019%3A315%3ATOC

[4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.L_.2019.315.01.0241.01.DEU&toc=OJ%3AL%3A2019%3A315%3ATOC

[5] www.runder-tisch-reparatur.de

[6] https://www.umweltbundesamt.de/themen/neue-waschmaschinen-kuehlschraenke-co-ab-2021

[7] https://www.reparatur-initiativen.de/

[8] https://www.ardmediathek.de/video/super-markt/haushaltsgeraete-reparieren-statt-verschrotten/rbb-fernsehen/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvc3VwZXJtYXJrdC8yMDIxLTA5LTA2VDIwOjE1OjAwXzBlYjgzZjc2LTU2MTEtNGRjNS1iMjI4LTdhOGYxOTk3ZDBmYS9ldS12ZXJvcmRudW5nLWhhdXNoYWx0c2dlcmFldGUtcmVwYXJpZXJlbi1lcnNhdHp0ZWlsZQ/

[9] https://www.ecologie.gouv.fr/loi-anti-gaspillage-economie-circulaire-1

[10] https://repair.eu/de/news/french-repairability-index-what-to-expect-in-january/

[11] https://ec.europa.eu/germany/news/20210531-nachhaltigkeit-mobiltelefone_de

[12] https://taz.de/Halbe-Mehrwertsteuer-fuer-Schuster/!5360773/

[13] https://www.stadt-wien.at/wien/news/reparaturbonus.html

[14] https://www.noe.gv.at/noe/Abfall/Foerd_Reparaturbonus.html

[15] https://www.land-oberoesterreich.gv.at/reparaturbonus.htm

[16] https://www.salzburg.gv.at/themen/umwelt/abfall/abfallwirtschaft/reparaturbonus

[17] https://www.ktn.gv.at/Service/Formulare-und-Leistungen/UW-L31

[18] https://www.noe.gv.at/noe/Abfall/Foerd_Reparaturbonus.html

[19] https://elektro.at/2021/06/21/umweltministerin-gewessler-kuendigt-reparaturbonus-fuer-2022-an/

[20] https://www.reparaturbonus-thueringen.de/foerderbedingungen

[21] https://www.reparaturnetzwerk.at/

[22] https://www.reparaturfuehrer.at/

[23]https://www.berlin.de/sen/uvk/_assets/umwelt/kreislaufwirtschaft/projekte/reparaturnetz/reparaturnetzwerk_machbarkeitsstudie_kurzfassung.pdf

[24] https://www.remap-berlin.de/karte

[25] https://www.mekki-steglitz.de/

[26] https://zero-waste-berlin.de/