Zero Waste Blog: Mehrweg Lösungen bei Take-Away

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Essen zum Mitnehmen hat sich fest etabliert, eine Menge Einweg-Verpackungsmüll leider auch. Dabei passen Mehrwegbehälter und Essen to go eigentlich gut zusammen. Hier erfahrt ihr, um wie viel Abfall es geht, welche Möglichkeiten müllmüde Gastronomin*innen haben und welche Mehrwegsysteme es schon gibt.

Wer sich in den vergangenen anderthalb Jahren gelegentlich ein paar Schritte aus der eigenen Wohnung herauswagte, konnte schon nach wenigen Metern mit eigenen Augen sehen, wie die Pandemie das Müllaufkommen veränderte. Pizzakartons, Aluschalen, Plastikboxen in den verschiedensten Farben und Größen, mal in der Mülltonne (manchmal sogar in der richtigen), mal daneben, mal im Park, gern auch auf dem Trottoir … Für wie viel zusätzlichen Take-away-Einwegmüll das Coronavirus gesorgt hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Einen Anhaltspunkt liefert aber eine Umfrage des Verbands der Entsorgungsunternehmen BDE unter seinen Mitgliedsunternehmen. Demnach wuchs das Aufkommen aus Leichtverpackungen (Kunststoff, Metall, Verbundmaterialien) 2020 um 5,7 Prozent, in einigen Regionen aber auch um bis zu 20 Prozent.[1] Berlin dürfte zu diesen Regionen gehören. Im ersten Halbjahr überwies der Berliner Senat der landeseigenen Berliner Stadtreinigung (BSR) rund 14 Millionen Euro für die Säuberung von Parks, Grünflächen und Spielplätzen.[2] Im Jahr 2020 holte die BSR 15.000 Kubikmeter Müll aus den Berliner Grünflächen. Diese Summe enthält nicht nur den achtlos weggeworfenen Müll auf Wiesen und in Gebüschen, sondern mit dem Inhalt der öffentlichen Abfallbehälter auch regelkonform Entsorgtes.

Ob die benutzten Einweggefäße regelkonform entsorgt wurden oder nicht, ist allerdings nicht die entscheidende Frage beim Take-away-Einweggeschirr. Klar, in der Umwelt dürfen die Einwegverpackungen auf keinen Fall landen. Aber auch wenn das Zeug in die richtige Mülltonne kommt, bleiben der Ressourcenverbrauch und die klimaschädliche Verbrennung die zentralen Probleme, denn recycelt wird von Verpackungen nur sehr wenig.[3]

Müllwachstumsraten von über 1000 Prozent

Schon vor der Coronapandemie gab es einen bedenklichen Trend zu immer mehr und mehr Einwegverpackungen für Essen und Trinken zum Mitnehmen, wie eine im Auftrag des Naturschutzbund (NABU) erstellte Studie zeigt: Von 1994 verwendeten die gastronomischen Betriebe in Deutschland 203.777 Tonnen Einwegverpackungen, 2017 waren es 281.186 Tonnen.[4] Der gewichtsmäßig größte Anteil entfiel 2017 mit 119.879 Tonnen auf Menü- und Snackboxen (plus 96.500 Tonnen gegenüber 1994), gefolgt Tellern, Schalen und Tabletts (36.590 Tonnen, plus 654 Tonnen gegenüber 1994) sowie Bechern für Heiß- (28.645 Tonnen, plus 23.799 Tonnen gegenüber 1994) und Kaltgetränke (26.789 Tonnen, plus 4.149 Tonnen gegenüber 1994). Das am meisten verwendete Material ist Papier/Pappe/Karton, gefolgt von Plastik. Aluminium und Naturmaterialien wie Holz spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Auch ohne den pandemiebedingten zusätzlichen Boom der Einwegbehälter gibt es also Anlass, dieser mittlerweile etablierten Wegwerfkultur etwas entgegenzusetzen. Essen unterwegs zu kaufen und irgendwo anders zu verspeisen, ist für viele Menschen mittlerweile Routine. Also muss Take-away ökologisch verträglicher werden. Einige Restaurants, Cafés und Imbisse packen ihre Produkte heute schon in Mehrwegbehälter. Diese Angebote sollten wir als Kund*innen stärker nutzen – und die restlichen gastronomischen Betriebe davon überzeugen, auch beim umweltfreundlichen Take-away mitzumachen.

Es lohnt sich schon nach kurzer Zeit

Berücksichtigt man den Aufwand bei Herstellung, Transport und Reinigung, so haben Mehrwegbehälter aus Plastik schon nach zehn Befüllungen eine bessere Umweltbilanz als Einwegverpackungen aus Kunststoff.[5] Was hindert die rund 70.000 Restaurants und Imbisse in Deutschland[6] daran, ihre Produkte in Mehrwegbehälter zu packen? Und wie ließen sich diese Hindernisse beseitigen? Dazu gibt es dank des Projekts „Essen in Mehrweg“ einige Erkenntnisse.[7]

Zunächst zögern Gastronom*innen beim Einsatz von Mehrwegsystemen, weil sie noch keine Erfahrungen damit haben. Taugen die Mehrwegbehälter? Bedeuten sie mehr Arbeit und mehr Kosten? Wie ist es um die Hygiene bestellt und erlauben die Behörden so etwas? Die erste und die letzte Frage lassen sich einfach beantworten: Ja, die derzeit schon im professionellen Bereich genutzten Mehrwegbehälter sind für fast alle Speisen geeignet, sogar für Pizza gibt es mittlerweile Systeme, die den Pappeinsatz minimieren,[8] und ja, die Gesundheitsbehörden haben grundsätzlich überhaupt keine Einwände gegen Mehrwegbehälter.

Wem gehören die Behälter?

Arbeitsaufwand und Kosten hängen davon ab, welches Behältersystem man verwendet beziehungsweise wem die Behälter gehören. Wenn die Gefäße den Kund*innen gehören, ist die Sache einfach. Sie müssen nicht angeschafft, aufbewahrt, zurückgenommen und gereinigt werden, weil das die Kund*innen selbst übernehmen. Ein großes Publikum jenseits der Zero-Waste-Enthusiast*innen zu erreichen, dürfte damit allerdings schwer werden. Und es ist eine sehr individuelle Lösung, die die Standardisierung der Prozesse beim Einfüllen der Speisen nicht unbedingt erleichtert.

Mehr Einfluss auf die Beschaffenheit der Behälter haben die gastronomischen Betriebe natürlich dann, wenn sie sie selbst anschaffen – entweder allein oder im Verbund mit anderen Restaurants und Imbissen. Die Vorteile einer solchen Verbundlösung: Die Kund*innen können die leeren Schüsseln an mehr Orten zurückgeben und es bietet sich an, alles an einer zentralen Stelle zu spülen. Entscheiden sich Restaurants dafür, eigenes Mehrweggeschirr anzuschaffen, so ist das in jedem Fall zunächst mit Ausgaben verbunden. Wenn sich das System bewährt, fallen früher oder später aber Kosten für Einwegverpackungen weg. Eine schöne Übersicht der gängigen Materialien für Mehrweg-Take-away-Behälter präsentiert übrigens der DUH-Einkaufsführer „Mehrweg to go“.[9]

Die kritische Masse

Die dritte Möglichkeit ist, die Mehrwegbehälter eines Poolbetreibers zu nutzen. Diese Dienstleister, von denen es mittlerweile in Deutschland ein gutes halbes Dutzend gibt (wir stellen sie weiter unten kurz vor), stellen das Geschirr, manche organisieren auch Rückgabe und Spülung. Dabei gilt in gewisser Weise das Motto „big is beautiful“: je größer das Netzwerk, desto mehr Kund*innen machen mit. Denn zu den größten Hindernissen auf Seite der Endverbraucher*innen zählt – neben Bedenken zur Hygiene, die sich mit gezielter Information schnell zerstreuen lassen – eine gewisse Trägheit. Extra durch die ganze Stadt fahren, nur um eine Schüssel zurückzugeben? Da ist es schon vorteilhaft, wenn es ein paar mehr Rückgabemöglichkeiten gibt.

Eigenes Geschirr oder Poolsystem? Sobald diese Entscheidung gefallen ist und ein paar technische Fragen geklärt sind (zum Beispiel wo die leeren Behälter verstaut werden) und das Personal in der Handhabung der Mehrwegschüsseln und -schachteln geschult ist, geht es an die wichtigste Aufgabe: die Kommunikation mit der Kundschaft. Alle, die etwas zu Essen mitnehmen, sollen das neue Mehrwegangebot kennen! Und natürlich auch ausprobieren, wenn nicht jetzt, dann beim nächsten Mal.

Mehrweg belohnen oder Einweg bestrafen?

Was können die Gastronom*innen noch tun, außer die Kund*innen immer wieder freundlich ansprechen, um Mehrweg beim Take-away zu fördern? Wie so oft lässt sich auch hier einiges mit Geld regeln. Entweder als Bonus (Take-away im Mehrweg ist günstiger) oder als Malus (Take-away im Einweg ist teurer). Wie auch immer sie es regeln, früher oder später muss sich die Gastronomie ohnehin mit der Frage „Einweg und Mehrweg oder nur Mehrweg?“ befassen: Die im September 2021 beschlossene Novelle des Verpackungsgesetzes sieht für alle Restaurants, Bistros und Cafés, die Take-away-Essen anbieten, ab Anfang 2023 die Pflicht vor, ihre Speisen wahlweise auch in Mehrwegverpackungen anzubieten.[10] Die in Mehrweg verpackten Waren dürfen nicht teurer oder zu schlechteren Bedingungen als die Einweg-Variante angeboten werden. Warum nicht schon im Jahr 2022 Mehrweg anbieten – und Einweg vielleicht sogar abschaffen?

Es ist nicht ausgeschlossen, dass mehr Städte dem Tübinger Beispiel[11] folgen und den mehrwegunwilligen Teil der To-go-Gastronomie mit einer kommunalen Steuer auf Einwegverpackungen sanft in Richtung Mehrweg schubsen. In München[12] kommen entsprechende Gedanken aus der Verwaltung, in Berlin[13] setzen sich Umweltverbände dafür ein.

Poolsysteme für Take-away-Mehrweggeschirr

REBOWL: Seit 2016 mit Schüsseln und Bechern auf dem Markt, 9600 Ausgabestellen in Deutschland. Gastronomische Betriebe zahlen eine Systemgebühr 25 bis 35 Euro im Monat. Für die Kund*innen wird ein Pfand von fünf Euro Pfand je Bestellvorgang fällig.[14]

reCIRCLE: Hat sich in der Schweiz etabliert, dort gibt es 1800 teilnehmende Partnerbetriebe, in Deutschland 450. Die Nutzungsgebühr beträgt 12 bis 15 Cent pro Ausleihe, die Endkund*innen zahlen zehn Euro Pfand pro Ausleihe. Die Schüsseln gibt es in fünf verschiedenen Größen, sie haben Maßangaben für die Befüllung und kommen ohne schlecht zu spülende Gummirillen aus.[15]

Relevo: Poolsystem mit 490 teilnehmenden Partnerbetrieben. Wie die Bücher einer Bibliothek haben alle Gefäße einen Code, den die Kund*innen beim Ausleihen und Zurückgeben einscannen. Damit sollen Lebenszyklus und Volumen der Einwegeinsparung transparent gemacht werden. Für die Kund*innen ist das Ausleihen kostenlos, die Restaurants zahlen eine Gebühr je Ausleihvorgang.[16]

Tiffin Loop: Das 2015 gestartete Poolsystem hat 21 Partnerbetriebe in Köln, Berlin und vor allem Hamburg. Die Kund*innen leihen die Behälter aus Edelstahl kostenlos aus und geben sie in einem der teilnehmenden Restaurants zurück. Sollten sie sie nicht innerhalb von 14 Tagen zurückgegeben haben, werden ihnen 20 Euro je Gefäß berechnet.[17]

Vytal: 1500 Partnerbetriebe Deutschland, Österreich und Frankreich. Nach einer kostenlosen Testphase zahlen die teilnehmenden Restaurants eine Gebühr je Nutzungsvorgang. Für die Konsument*innen ist der Service kostenlos – es sei denn, sie haben die Mehrwegbehälter nach 14 Tagen noch nicht zurückgebracht, dann werden zehn Euro fällig. Für die Rückgabe gibt es eigene Boxen auch bei Supermärkten und Arbeitgebern.[18]

Der Artikel wurde im Rahmen des Projekts „Berlins Weg zu Zero Waste“ erstellt, das von der Stiftung Naturschutz Berlin gefördert wird.

 

 

[1] https://www.bde.de/presse/abfallmengen-corona-weihnachten

[2] https://www.sueddeutsche.de/wissen/umwelt-berlin-senatorin-verpackungsmuell-in-berliner-parks-ist-ein-problem-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210707-99-292435

[3] Das zeigt unter anderem der BUND-Plastikatlas: https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/plastikatlas-2019

[4] https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/abfallpolitik/181022_gvm-studie_einweggeschirr_sofortverzehr.pdf

[5] https://www.researchgate.net/publication/329166723_Environmental_impacts_of_takeaway_food_containers

[6] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155685/umfrage/anzahl-der-umsatzsteuerpflichtigen-restaurants-seit-2002

[7] Essen in Mehrweg ist ein vom Bundesumweltministerium gefördertes Projekt des Berliner Vereins LIFE, des BUND Bremen und des Ecologs-Instituts: https://esseninmehrweg.de. Die weiteren Ausführungen dieses Blogartikels speisen sich aus den Beiträgen der Fachtagung des Projekts im November 2020 (https://www.youtube.com/watch?v=RCNeABDuQws).

[8] Zum Beispiel https://www.pizzabow.com/mehrwegverpackung-fuer-pizza/

[9] https://www.duh.de/becherheld/to-go-einkaufsfuehrer/mehrweg

[10] https://www.bmu.de/pressemitteilung/schulze-mehrweg-soll-neuer-standard-fuer-to-go-verpackungen-werden

[11] https://www.tuebingen.de/33361.html

[12] https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Kommunalreferat/pressedienst/20210507_mehrweg.html 

[13] www.berlin-plastikfrei.de

[14] https://rebowl.de

[15] https://www.recircle.ch, https://www.recircle.de

[16] https://relevo.de

[17] https://tiffinloop.de

[18] https://www.vytal.org

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