Zero Waste Blog: Jeden Tag zu gut für die Tonne
Letzte Woche erinnerten überall in Berlin Aktionen daran, dass Lebensmittel auf den Teller und nicht in den Müll gehören. Anlässe gab es genügend: deutschlandweit die Aktionswoche „Zu gut für die Tonne“, der internationale Tag gegen Lebensmittelverschwendung und dann noch ein berlinweiter Aktionstag.
Auch ohne offizielle Termine engagieren sich Organisationen und Initiativen aus allen Sektoren gegen die Verschwendung von genießbaren Lebensmitteln. Dabei ist jede und jeder – immer – gefragt. Denn allein in Deutschland stammen über die Hälfte von jährlich fast elf Millionen Tonnen an Lebensmittelabfällen aus privaten Haushalten (Quelle: UBA). Elf Millionen Tonnen – das entspricht ungefähr dem Gewicht von 60.000 Blauwalen, dem größten Säugetier, das jemals lebte.
Großstädte wie Berlin treiben solche Zahlen besonders in die Höhe. Deswegen setzte die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz mit dem berlinweiten Aktionstag am 30.09.2025 ein starkes Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung in der Hauptstadt.
Am Tag zuvor legte der BUND bereits mit einer Aktion zu Resteküche in der Neuköllner High-Deck-Siedlung los. Dort läuft seit Juli 2024 das Projekt „High-Decks ohne Müll“, das unter anderem ein Null-Müll-Kochbuch mit Rezepten von Anwohner*innen entwickelt. Am 29.09.2025 waren alle zum Essen eingeladen. Anlässlich der zahlreichen Aktionstage entstand ein temporäres „Buffet gegen Lebensmittelverschwendung“ auf dem Leo-Deck, einer der namensgebenden Fußgängerbrücken der Siedlung.
Buffet gegen Lebensmittelverschwendung in der High-Deck-Siedlung
Das Buffet gegen Lebensmittelverschwendung brachte alle an einen Tisch. Jugendliche, ältere Generationen und Kinder mit ihren Eltern tauschten sich zum Thema Lebensmittelverschwendung aus. Über die Tafel hinweg verrieten sie sich gegenseitig Tipps und Rezepte. Dem multikulturellen Leben in der High-Deck-Siedlung entsprechend, kamen die anwesenden Bewohner*innen nicht nur aus Deutschland, sondern zum Beispiel aus der Türkei, Syrien, Kroatien und der Ukraine. Über 8.000 Menschen leben in der Großwohnanlage. Viele davon stammen aus arabischen Ländern oder aus Osteuropa. Die Mehrheit gehört dem muslimischen Glauben an.
Das Buffet füllte sich schnell mit den verschiedensten Beiträgen. Zuerst köchelte auf dem Leo-Deck eine vegane Linsensuppe vom Stadtteilzentrum Köllnische Heide (STZ). Dann stellten Zero-Waste-Botschafterinnen aus dem Projekt „High-Decks ohne Müll“ einen pakistanischen Salat dazu. Auch alle weiteren Gerichte auf dem Buffet zeigten: Nur wenige Zutaten genügen für ein nahrhaftes und leckeres Essen. Aus einem Rest ergibt sich eine weitere Zutat und aus dieser Zutat entsteht die Idee für ein neues Rezept. Mehr als eine Fenchelknolle braucht es beispielsweise kaum für einen Salat. Fenchelgrün gehört nicht in den Müll, macht sich – als Pesto – gut auf dem Fladenbrot und schmeckt genauso als Dressing. Alle Salate, Aufstriche, Brote und die Suppe gab es nur in Mehrwegbehältnissen, mit Mehrwegbesteck. Servietten bestanden nicht aus Papier, sondern aus alten Stoffresten.




Null-Müll-Kochbuch der High-Deck-Siedlung
Die Rezepte vom Buffet gegen Lebensmittelverschwendung kommen zum Ende des Projektes „High-Decks ohne Müll“ in das Null-Müll-Kochbuch der High-Deck-Siedlung. Schon seit Dezember 2024 sammelt das BUND-Projekt dafür Rezepte von Anwohner*innen ein. In öffentlich aufgestellten Sammelboxen, per E-Mail und über Whatsapp landeten über 60 Rezepte. Darunter das türkische Käsefondue Kuymak, die marokkanische Kichererbsensuppe Harira und das griechische Dessert Barbara-Asoures. Genauso ging klassische deutsche Küche ein – von Kartoffelsuppe bis hin zu Maultaschen. Im „Null-Müll-Kochbuch der High-Deck-Siedlung“ finden Anwohner*innen neben Rezepten aus der Siedlung auch Anregungen von Zero-Waste-Initiativen. Zudem viele Tipps für weniger Abfälle beim Kochen zu Hause.

Weniger Lebensmittelabfälle in Haushalten: Tipps
Die Lebensmittelabfälle zu Hause machen mehr als die Hälfte aller Lebensmittelabfälle in Deutschland aus. Sie lassen sich leicht reduzieren – mit einfachen Alltagstipps:
- Nur mit Einkaufszettel und ohne Hunger einkaufen.
- Nur kleinere Mengen an Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Brot und Milchprodukten einkaufen, nicht auf Vorrat
- In der Speisekammer und im Kühlschrank Produkte nach vorne stellen, die nicht mehr lange haltbar sind.
- Kreative Resteküche anwenden – mit genau den Zutaten, die langsam wegmüssen (Anregungen gibt es zum Beispiel bei der App von „Zu gut für die Tonne“ oder bei „Restlos Glücklich“).
- Essbare Reste wie Kürbisschalen, Möhrengrün oder Broccoli-Strunk als Lebensmittel verwerten.
- Lebensmittel an Nachbar:innen, Freund:innen oder über Foodsharing-Plattformen verschenken.
- Das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht als Wegwerfdatum betrachten.
- Essensreste aus dem Restaurant in einem mitgebrachten Mehrwegbehälter mit nach Hause nehmen.
- Partygäste schon bei der Einladung dazu auffordern, eigene Mehrwegbehälter für eventuelle Essensreste mitzubringen.
Oder: ein eigenes Buffet gegen Lebensmittelverschwendung veranstalten. Zu Hause oder auch öffentlich im Kiez. So wird Lebensmittelwertschätzung sichtbar und bringt alle an einen Tisch – wie das Buffet in der High-Deck-Siedlung kürzlich zeigte.
Elf Millionen Tonnen im Jahr – mit vielen Folgen
Nicht nur die bloßen Zahlen sprechen für tägliches Engagement. Auch die komplexen Auswirkungen: Jedes verschwendete Lebensmittel verschmutzt die Umwelt, verschärft die globale Ernährungskrise, fördert soziale Ungleichheit und schadet dem Klima.
Lebensmittelverschwendung verursacht zwischen acht und zehn Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes. Viel mehr, als zum Beispiel der Flugverkehr, der für etwa 3,5 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich ist.
Für die Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung braucht es immer mehr landwirtschaftliche Fläche. Dafür werden Bäume gefällt und so gehen wertvolle Wälder verloren. Nicht nur beim Anbau – auch bei Herstellung, Lagerung, Verpackung und Transport entstehen die ganze Zeit klimaschädliche Treibhausgase. Entlang der gesamten Produktionskette tragen Lebensmittel zur Verschmutzung von Gewässern und Boden bei. Immer kommen hohe Mengen an Energie und Wasser zum Einsatz.
Durch weggeworfene Lebensmittel entstehen außerdem Engpässe und die Preise steigen – das trifft Menschen mit geringen Einkommen besonders hart.
Daher: Jeder Tag sollte ein Aktionstag gegen Lebensmittelverschwendung sein, denn zumindest zu Hause können alle was tun.
Mehr zum Thema: Lesehinweise zu Lebensmittelverschwendung in Berlin, Deutschland und der Welt
Das Thema Lebensmittelverschwendung ist zu komplex, um alles in einem Blogbeitrag unterzubringen. Wer selbst nachlesen will, kann sich zum Beispiel unter folgenden Links/Themenseiten informieren:
Berlin:
Bund Berlin: Diskussionspapier: Nachhaltige Ernährungswende in Berliner Kantinen
Ernährungsrat Berlin: Podcasts
Verbraucherzentrale Berlin: Lebensmittelverschwendung eindämmen
Deutschland:
BUND Bundesverband: Lebensmittelverschwendung: Deutschland braucht bessere Gesetze
Umweltbundesamt: Lebensmittelabfälle
Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat: Lebensmittelabfälle in Deutschland
Deutsche Umwelthilfe: Lebensmittelverschwendung stoppen
Welt:
Welthungerhilfe: Lebensmittelverschwendung | Ursachen & Fakten
HELMHOLZKLIMA Dialog-Plattform: Fürs Klima: Weniger Lebensmittel verschwenden
WWF Deutschland: WWF-Studie: Das große Wegschmeißen
P.S.: Das „Null-Müll-Kochbuch der High-Deck-Siedlung“ aus dem Projekt „High-Decks ohne Müll“ soll für Bewohner*innen der High-Deck-Siedlung bei den Einrichtungen ausliegen und wird auch auf der Projektwebsite veröffentlicht. Das Projekt läuft bis zum 31. Dezember 2025 und wird von der Stiftung Naturschutz Berlin aus Mitteln des Förderfonds Trenntstadt Berlin gefördert.




