Zero Waste Blog: So brauchen wir das Kaufhaus

Gebrauchtwaren Ka De W Chriscom Ccbysa2


Kieztrödler, Flohmärkte, Second-Hand-Shops, Sozial- und Umsonstläden leisten Großartiges für die Kreislaufwirtschaft. Aber um den Kauf von gebrauchten Waren so richtig in der Mitte der Gesellschaft zu verankern, wird es Zeit für den großen Wurf. Ein Plädoyer für das Gebrauchtwarenkaufhaus.

 „Wir wollen das Kaufhaus zurück“ – dieser Satz ist erklärungsbedürftig, wenn er im Zero-Waste-Kontext fällt. Ausgerechnet die einstigen heiligen Stätten des Konsumismus sollen helfen, selbigen zu überwinden? So ist es. Denn was zeichnet die Kauf- oder Warenhäuser eigentlich aus? Schauen wir uns doch mal den Idealtypus an (wer sich für den Unterschied zwischen Kauf- und Warenhaus interessiert, möge bitte selbst bei Wikipedia[1] nachlesen, wir benützen beide Begriffe synonym). Das Kaufhaus liegt prominent, ist für Laufkundschaft attraktiv, Bus und Bahn halten vor der Tür. Schon beim Reinkommen erschließt sich die Systematik der einzelnen Warengruppen, wie ein Inhaltsverzeichnis im guten Buch leiten die Tafeln an den Rolltreppen die Kundschaft. Winterjacken, Schnürsenkel, Badminton-Schläger, Küchengeräte … alles da. Unter einem Dach. Nicht in erschlagender Auswahl, dafür in guter Qualität.

Genau das brauchen wir auch für den Second-Hand-Handel. Und man – wie es so schön heißt –die Menschen dort abholen soll, wo sie sind, erinnert die Ästhetik zunächst einmal an die der konventionellen Kaufhäuser: übersichtlich sortiert, gut beleuchtet, professionell drapiert. Erst auf den zweiten Blick fallen die Unterschiede auf: keine eigens produzierte Wegwerfdeko, Verpackungen nur soweit es sich um das Original handelt, und natürlich keine Einwegprodukte.

Woher kommen die Waren?

Nun ist es durchaus anspruchsvoll, einen stetigen Nachschub von garantiert funktionierenden elektrischen Rasierern und sauberen, gut erhaltenen Matratzen zu organisieren, um nur mal zwei Beispiele zu nennen. Auf keinen Fall sollen Kieztrödler, Flohmärkte, Second-Hand-Shops, Sozial- und Umsonstläden um ihr Geschäft gebracht werden. Das große Gebrauchtwarenkaufhaus muss vielmehr an die gigantischen Ströme ran, die von den Verbraucher*innen in Richtung Müllverbrennung fließen. Wobei Müll hier das falsche Wort ist, schließlich handelt es sich nur bei einem kleinen Teil der Stoffmengen, die täglich bei der BSR abgegeben werden, wirklich um Müll – deshalb heißt es eigentlich Wertstoffhof. Wie viel von den „entsorgten“ Dingen noch verwendbar ist, prüft aber niemand. Es ist zu befürchten, dass sehr viele Elektrogeräte oder Möbel erst durch den finalen Wurf in den Container unbrauchbar werden. Nun ist es nicht so, dass die Beschäftigten der Wertstoffhöfe zu doof wären, noch brauchbare Dinge zu erkennen. Sie dürfen schlicht nichts aussortieren. Wer es dennoch tut, riskiert eine Menge Ärger.[2]

Planwirtschaft im positiven Sinne

Die Entsorgungsbetriebe müssen ganz klar dazu verpflichtet werden, Intaktes und Reparierbares vor der Schrottpresse zu bewahren. Das ist mit Aufwand verbunden, keine Frage. Bevor die Fundstücke ins Gebrauchtwarenkaufhaus gehen, durchlaufen sie einen Prüf-, Säuberungs- und Reparaturdurchgang. Gleichzeitig könnte das Gebrauchtwarenkaufhaus als Annahmestelle fungieren. Es ist völlig legitim, beispielsweise einen Fön nicht selbst reparieren zu können oder wollen. Warum also dieses potenziell reparierbare Gerät nicht gegen ein bereits repariertes im Gebrauchtwarenkaufhaus eintauschen? Dank eines angeschlossenen (Elektro-)Lastenfahrradlieferservices sollte es kein Problem sein, auch schwere und sperrige Gebrauchtwaren zu handeln. Das alles funktioniert selbstverständlich nicht von allein, es bedarf einer Planwirtschaft im positiven Sinne. Nicht dass es am Ende zugeht wie in dem einschlägigen DDR-Witz. Fragt die Kundin: „Gibt es hier keine Strumpfhosen?“. Antwortet die Verkäuferin: „Nein, keine Strumpfhosen gibt es im Erdgeschoss. Bei uns gibt es keine Thermoskannen.“

Zugegeben, für das große Gebrauchtwarenkaufhaus müssen wir noch viel tun. Aber sehr frei nach Helmut Schmidt sagen wir: Wer keine Visionen hat, sollte sich in Behandlung begeben.

Am zweiten und dritten Adventwochenende öffnet ein temporärer Vorläufer des Gebrauchtwarenkaufhauses:

Re-Use-Pop-up-Store im Circular Economy House Rollbergstraße 26 (früheres Kindl-Gelände)

Berlin-Neukölln

7.–9.12.2018, 14.–16.12.2018

Freitags jeweils 10–16 Uhr, Samstag und Sonntag 12–20 Uhr

Alle Infos zum Pop-up-Store in Neukölln[3]


 [SP1]Teaser