Zero Waste Blog: Es gibt Reis (mit Alu, Plastik und Styropor)

Korean Food Mit Verpackung Ahrbear C C4
Nicht ausgehen wollen und zu faul zum Kochen: Was die Essenslieferdienste auf Trab hält, ist für die Umwelt ein Ärgernis.

Ist der Lieferservice der Tod der Restaurants?[1] Das hängt davon ab, wen man fragt. Aus Sicht der Startup-Unternehmer der Food-Delivery-Branche bietet ihr Service den Restaurants einen netten Zusatzverdienst. Für Restaurantgäste, die ewig warten mussten, weil die Online-Bestellungen vorgingen, ist das Lieferunwesen ein Grund, manche Lokale künftig zu meiden. In jedem Fall aber wächst das Geschäft mit der Essensauslieferung. Zwischen 2013 und 2017 stiegen die Ausgaben für Lieferdienste in Deutschland von 2,6 Milliarden Euro auf 3,3 Milliarden.[2] Und auch wenn deutlich mehr als ein Drittel der Bundesbürger*innen noch nie Essen hat liefern lassen (Frauen 43 Prozent, Männer 36 Prozent),[3] so spielt das Phänomen in einem Ballungsraum wie Berlin doch eine erhebliche Rolle.

Einer amerikanischen Studie zufolge ersetzten Essensbestellung in 43 von 100 Fällen einen Restaurantbesuch.[4] Die Onlinebestellungen sind für die Gastronom*innen also nur zum Teil ein zusätzliches Geschäft. Aber ein teuer erkauftes Geschäft, denn die Dienste nehmen von den Restaurants eine 30 Prozent Provision.[5] Nicht mit den Lieferdiensten zu kooperieren, ist ökonomisch also sehr wahrscheinlich die bessere Variante. Für die Umwelt ist die Bewirtung im Restaurant in jedem Fall besser als die Lieferung nachhause.

Ein Haufen Verpackung für den schnellen Genuss

In ihren klobigen Rucksäcken transportieren die Essenskurrier*innen einen gewaltigen ökologischen Ballast. Styropor, Alufolie, Plastik, mit Kunststoff beschichtete Pappe – egal welches Gericht man betrachtet, der Verpackungsaufwand gegenüber der Restaurant-Variante ist erheblich. Auch die Pizza, die „nur“ im Pappkarton daherkommt, hat eine schlechte Umweltbilanz. Um zu verhindern, dass Rückstände von Mineralölen und Klebstoffen ins Essen kommt, ist Recyclingpapier überall dort tabu, wo direkter Kontakt mit Lebensmitteln besteht. Hat ein Karton aber erst einmal als Pizzatransportgefäß gedient, ist er so stark verschmutzt, dass er sich nicht mehr recyceln lässt. Und selbst wenn das Problem mit der Verschmutzung nicht besteht, lässt sich Papier im Gegensatz zu Glas nur fünf bis zehn Mal recyceln, weil die Fasern bei jedem Zyklus kürzer werden.

Beunruhigend ist auch, dass das Bewusstsein für das Verpackungsproblem bei den Besteller*innen schwach ausgeprägt ist. Unter den Gründen, die für die Bundesbürger*innen gegen die Nutzung von Lieferdiensten sprechen, dominieren Sorge um Geldbeutel und Gesundheit/Figur, nicht aber um die Umwelt.[6] Da ist es nur ein schwacher Trost, dass die Lieferdienste in Berlin überwiegend per Fahrrad liefern lassen.

Könnte die Food-Delivery-Branche ökologischer werden? Bislang gibt es erst wenige Schritte in diese Richtung. Etwa das Tiffin-Projekt, das Restaurants und Kundinnen vernetzt, die Mehrwegbehälter zum Takeaway nutzen.[7] Oder das eigentlich aus der Schweiz stammende Mehrwegsystem ReCircle, das in Stuttgart und Umgebung von einem guten Dutzend gastronomischer Betrieben übernommen wurde, die nun Essen in abwaschbare Boxen füllen und diese später (unabgewaschen) zurücknehmen.[8] Ist das schon alles?

Vorbild Indien

Mit dem Dabbawalla-System im indischen Mumbai (ehemals Bombay) gibt es ein erprobtes Beispiel in einer ganz anderen Größenordnung.[9] Seit über 100 Jahren liefern knapp 5.000 Essenskuriere (Frauen sind bislang noch nicht darunter) täglich außer Sonntag rund 200.000 Lunchboxen aus. Die Dabba genannten Lunchboxen kommen allerdings nicht aus Restaurants, sondern aus den Haushalten der Empfänger, wo sich Familienangehörige oder Personal um die Zubereitung kümmern. Ein fein austariertes System sorgt dafür, dass die Dabba per Bahn und Fahrrad pünktlich um 12:30 Uhr auf die Schreibtische der höheren Büroangestellten kommen. Die Fehlerquote liegt bei unglaublichen 1:6.000.000. Vorbildlich ist aus unserer Sicht aber weniger die dahinterstehende Arbeitsteilung (jemand bleibt zuhause in der Küche), sondern die umweltfreunde Transportkette und die Nutzung der Mehrwegbehälter.

Es bleibt also noch viel zu tun für Tüftler*innen von Mehrwegsystemen hierzulande. Und bis sie den Lieferdienst einigermaßen ökologisiert haben, bleibt die Devise: Beehrt die Restaurants mit eurer Anwesenheit – oder kocht selbst für euch und eure Leute!

Foto: Ahrbear, lizensiert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en)[SP2] [SG3] 




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