Zero Waste Blog: "Das Interesse am Selbermachen wird größer!"
„Das Interesse am Selbermachen wird größer“
Jutta Ziegler und Martina Maire von Baufachfrau Berlin e. V. über das Erlernen von nachhaltigen Strategien, Zero-Waste-Initiativen in Berlin und die Unterschiede beim Tischlern mit Alt- und Resthol.
Was macht Baufachfrau Berlin e. V.?
Wir sind ein Bildungsträger mit unserer Tischlerei holzart. Die Tischlerei bildet Frauen zu Tischlerinnen aus und produziert nach Kundenwünschen im Möbel- und Messebau. Als Bildungsträger geht es uns um partizipative Angebote, mit denen wir in der Stadtgesellschaft unterwegs sind. Momentan haben wir einen starken Fokus auf nachhaltige Strategien.
Jetzt gibt es ein neues Projekt, das Q-Lab. Worum geht es da?
Das Q steht für Qualifizierungsangebote für Frauen. Es handelt sich um praxisorientierte Workshops für maximal zwölf Frauen, mit denen wir in praktisch handwerklichen Modulen mit nachhaltigen Baustoffen Werkstücke herstellen und Exkursionen zu den verschiedensten Lernorten in der Stadt unternehmen. Dabei haben wir drei Themenfelder. Erstens die grüne Stadt mit den vielfältigen Möglichkeiten der Stadtbegrünung. Zweitens die nachhaltigen und neuen Baustoffe von den Naturbaustoffen bis zu innovativen Baustoffen der Zukunft. Drittens Upcycling und Zero-Waste. Das Ziel ist, dass die Teilnehmerinnen ein „Update“ in Sachen nachhaltige Strategien für ihre weitere berufliche Entwicklung bekommen.
Welche Lernorte besuchen Sie konkret?
Von der Stadtfarm[1] bis zum interkulturellen Garten, vom Original Unverpackt Laden[2] bis zum SirPlus Rettermarkt[3], vom Materialfundus bei Kunst-Stoffe e. V.[4] bis GEYERSBACH recycled furniture[5] und vom Baustoffhändler mit nachhaltigen Dämmstoffen bis zur Baustellenbesichtigung, um nur einige Beispiele zu nennen. Wesentlich ist dabei auch die Vermittlung, dass man heutzutage nicht alles kauft, sondern auch leiht und teilt – Werkzeug genauso wie Wissen. Nicht alles muss selbst erlernt werden, man muss nur wissen, wo man die richtigen Menschen findet, die helfen können.
Wann finden die nächsten Q-Labs statt?
Im Mai geht es los mit der grünen Stadt, im Juni folgen die Module zu den nachhaltigen Baustoffen und im November der Teil zu Zero Waste. Es sind noch Plätze frei. Dank der Förderung durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) und das Land Berlin ist das Q-Lab für die Teilnehmerinnen übrigens kostenfrei, einzige Bedingung ist, dass die Frauen als arbeitssuchend gemeldet sind.[6]
In allen Themenfeldern stellen die Teilnehmerinnen der Q-Labs eigene Werkstücke her. Was ist da bisher entstanden?
Der Großteil der Werkstücke geht in Gemeinschaftsgärten oder zu den Initiativen, die wir besuchen – also dorthin, wo die Nachhaltigkeitsthemen gelebt werden. Für den Gemeinschaftsgarten der Grünen Liga auf dem ehemaligen Friedhof Georgen Parochial beispielsweise haben wir eine „Sitzaufbewahrungskombi“ im Lounge-Stil gebaut.
Wie fing bei Baufachfrau die Beschäftigung mit den Zero-Waste-Themen an?
Wer Holz verarbeitet, hat dauernd Restholz übrig. Holzwerkstoff muss in Platten gekauft werden. Ich kann nicht sagen: „Ich brauche nur dreieinhalb“, sondern muss halt vier kaufen. Tischlereien haben es mit vielen Farben und Oberflächen zu tun, für die die nächsten Kund*innen keine Verwendung haben. Die Reste zu lagern und bei Gelegenheit sinnvoll wieder einzubauen, ist relativ schwierig, dafür bräuchten wir viel mehr Lagerfläche. Aber irgendwann wollten wir nicht mehr das Restholz der thermischen Verwertung zuführen. Aus den Überlegungen dazu entstanden im letzten Jahrzehnt verschiedene hikk-Projekte. hikk steht für Holz im Kreativkreislauf. Das neueste Projekt heißt hikk lokal – Klimaschutz aktiv.[7]
Was machen Sie dort konkret?
Im Zentrum für Kunst und Urbanistik[8] in Moabit haben wir einen Restholzcontainer und eine mobile Reuse-Upcycling-Repair-Werkstatt und bieten auf den sonntäglichen Gütermärkten[9] unter anderem DIY-Workshops unter unserer Anleitung an und parallel dazu eine kostenfreie Restholzbörse.
Über welche Größenordnungen reden wir beim Restholz in den Tischlereien? Kann man das einmal pro Woche mit dem Lastenfahrrad wegbringen?
Das Lastenrad reicht da nicht. Ein Vorgängerprojekt von hikk hat untersucht, ob man in den holzverarbeitenden Betrieben Restholz mit einem Boxensystem zu sammeln kann. Das hat funktioniert, allerdings kamen dort ausgewählte Resthölzer zusammen, die sich gut für unsere Workshops eignen. Die Gesamtmenge der Reste ist aber viel größer. In einer klassischen kleineren Tischlerei fällt pro Woche durchschnittlich eine Restmülltonne mit Holzresten an, bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen ist es eher ein Container im Monat. Wenn man sich überlegt, dass wir über 600 Tischlereien in Berlin haben, dann bleibt in der Stadt schon sehr viel Restholz übrig, das in die Müllverbrennung geht. Es findet aber ein Umdenken statt. Immer mehr Tischlereien geben Restholz an Einrichtungen oder Projekte ab. Auch darum ist es wichtig, offene Werkstätten zu fördern.
Ist der Rohstoff Holz zu billig?
Insgesamt haben Holzwerkstoffe schon ihren Preis, je nachdem aus welchen Quellen das Holz stammt, allerdings ist die Recyclingquote in jeden Fall stark ausbaufähig! Beim Metall merkt man stärker, dass sich das ändert. Und auch viele Tischlereien fragen sich heute, wo das Holz eigentlich herkommt. Holz aus nachhaltigen Quellen ist schon teurer.
Gibt es Bestrebungen, Altholz wieder in die Produktion einzuspeisen?
Initiativen dazu gibt es durchaus. Das Problem ist nur, dass die Menge an Altholz so unglaublich groß ist. Grundsätzlich ist das Upcycling bzw. Recycling von Altholz ein anderer Vorgang als das Tischlern mit neuem Holz, weil das gebrauchte Stück zunächst einmal „zurückgebaut“ werden muss. Und was Tischlereien grundsätzlich nicht machen, ist altes und neues Holz in einem Werkstück zu kombinieren, schließlich könnte im Altholz der sprichwörtliche Wurm sein. Eine weitere Schwierigkeit ist Lagerkapazität in der Stadt zu bezahlen. Und wenn man irgendwo etwas Tolles entdeckt, etwa einen alten Dielenboden, der raus soll, dann muss es meist schnell und mit viel Muskelkraft gemacht werden. Für ehrenamtlich arbeitende Initiativen ist das eine Herausforderung.
Verhalten sich Frauen und Männer unterschiedlich, was Upcycling und Zero Waste angeht?
Das kann man so nicht sagen. Wir erleben eher, dass in der Stadtgesellschaft insgesamt das Interesse an DIY-Projekten bzw. DIY-Angeboten größer wird.
Foto: Baufachfrau Berlin e. V.