Zero Waste Blog: „Anfangs war ich ein Sonderling“
„Anfangs war ich ein Sonderling“
BUND-Aktive Andrea Mewes über Seife, Eisenpfannen, Gummibärchen und viereinhalb Jahre weitgehend ohne Plastik
Seit wann lebst du ohne Plastik?
Mein Lebensgefährte und ich verzichten seit viereinhalb Jahren größtenteils auf Plastik. Begonnen hatten wir, nachdem wir die Dokumentation „Plastic Planet“ von Werner Bothe gesehen hatten.[1] Wobei ich unseren Lebensstil nicht plastikfrei, sondern plastikarm nennen würde. Ich verzichte nicht auf Medikamente, Computer und Fahrradhelm. Bei diesen Dingen geht es nicht ohne Plastik. Während ich es bei Nahrungsmitteln relativ einfach finde, auf Verpackungen zu verzichten, ist es zum Beispiel bei Kleidung deutlich schwieriger. Schuhe haben heute meist eine Plastiksohle, Schuhe mit Ledersohlen gibt es kaum mehr.
Wie finde ich plastikarme Produkte?
Eine Onlinerecherche hilft oft, zum Beispiel kann man nach einem Unverpacktladen oder einem Markt in der Nähe suchen oder auch ganz speziell nach einem Produkt in der plastikfreien Variante. Hilfreich ist es auch, wenn man mehrere Ausschlusskriterien hat. Bei uns fing es mit plastikfrei an und weitete sich dann zu möglichst chemikalienarm aus. Ich verwende Leder inzwischen nur, wenn es vegetabil gegerbt und ungefärbt beziehungsweise nur mit umweltverträglichen Farben gefärbt ist. Damit wird die Auswahl automatisch kleiner, ein Wanderschuh aus vegetabil gegerbtem Leder ist einfacher zu finden, da gibt es nur einen.
Wo ist der Abschied vom Plastik besonders einfach?
Ein einfacher Einstieg ist die Umstellung von Duschgel. Das lässt sich problemlos durch Seife ersetzen, die es in großer Auswahl und sehr guter Qualität gibt. Und eine gute Seife aus Pflanzenölen findet man in der Regel auch unverpackt. Wir sind vor vier Jahren so vorgegangen, dass wir mit dem angefangen haben, was als Erstes ersetzt werden muss, also mit den Lebensmitteln. Ich habe in den Läden, in die wir vorher schon gegangen sind, geschaut, ob es das jeweilige Produkt ohne Plastikverpackung gibt. Weil es damals noch keine Unverpacktläden gab, haben wir dann angefangen, Lebensmittel auf Märkten einzukaufen, darunter auch Nudeln und Käse.
Bedeutet Plastikreduktion mehr Do it yourself?
Vor vier Jahren war das so. Anders als heute konnte ich nicht einfach in einen Unverpacktladen gehen und Wasch- oder Spülmittel abzapfen. Mittlerweile habe ich mich an die Hautcreme, Wasch- und Putzmittel aus Eigenproduktion so gewöhnt, dass ich sie auch weiterhin selber mache. Im Gegensatz zu den Produkten aus dem Unverpacktladen sind unsere selbstgemachten Putzmittel noch einmal chemikalienärmer, das gefällt mir gut.
Wie ist der Zeitaufwand beim Selbstmachen?
Der Zeitaufwand hält sich in Grenzen, wenn man einmal weiß, wie es geht. Allerdings habe ich eine aufwendige Zeit des Ausprobierens hinter mir, in der unsere Küche eher einem chaotischen Labor glich. Am Schluss haben wir jetzt Rezepte, die funktionieren, und eine Reduktion der Inhaltsstoffe auf das Wesentliche. Unsere Waschmittel enthalten keine Tenside und unsere Hautcreme könnten wir im Prinzip essen, sie besteht nur aus verzehrbaren Ölen. Jetzt mache ich alle drei Monate für uns beide Creme, das dauert etwa 45 Minuten.
Und wie ist es beim Shampoo?
Das kaufen wir als festes Shampoo, das ist unser letztes tensidhaltiges Produkt. Prinzipiell ist es so, dass man viele Dinge verpackungsfrei bekommt, wenn das Wasser herausgenommen wird, wie zum Beispiel bei der Seife im Vergleich zum Duschgel. Oder auch bei Zahnpasta, die kaufen wir in Tablettenform. Das alles ist übrigens auch praktisch auf Reisen.
Ganz nebenbei wirst du also in allen möglichen Bereichen zur Expertin.
Ja, man beschäftigt sich plötzlich mit vielen Fragen über Inhaltsstoffe oder die Herstellung von ganz alltäglichen Dingen. Erst denkt man, man möchte eigentlich nur plastikfrei leben, dann kommt man darauf, dass auch konventionell gefärbtes Leder nicht so toll ist und dass eine teflonbeschichtete Pfanne eher ungünstig für die Umwelt ist. Oder lernt, wie man Nahrungsmittel fermentiert, so dass man sich durch Selbermachen die industrielle Variante sparen kann. Mir macht es Spaß, mich mit solchen Fragen zu beschäftigen, und ich empfinde mein neues Wissen als wertvoll.
Ist die gesunde und ökologische Variante auch die preisgünstigere?
Es kommt darauf an. Bei Kleidung mit Sicherheit nicht, weil wir möglichst Bio-Baumwolle und vegetabil gegerbtes Leder kaufen. Das gilt natürlich auch nicht für die Demeter-Lebensmittel, die wir hauptsächlich kaufen. Und es gibt Investitionen, die erst einmal kosten. Zum Beispiel Metalldosen und Bienenwachstücher, um Brot einzupacken. Wenn man aber zum Beispiel beim Essen Fertigprodukte mit den Zutaten für das Selbstkochen vergleicht, ist das in der Regel preiswerter. Auch Creme, Putz- und Waschmittel sind selbstgemacht viel preiswerter. Meiner Meinung nach sinken die Kosten über einen längeren Zeitraum, wenn man nicht nur auf Plastikfreiheit, sondern auf den ökologischen Fußabdruck insgesamt achtet, denn man wird weniger kaufen, länger nutzen und mehr reparieren.
Ersetzt ihr Plastikprodukte vor Ablauf ihrer Lebenszeit?
Teilweise ja. Einige Dinge habe ich anfangs aussortiert, die ich als ungut für meine Gesundheit erachte habe. Zum Beispiel zerkratzte Tupperdosen, in denen ich Lebensmittel aufbewahrt hatte. Langlebige Sachen wie Staubsauger, Mixer, Jacken, Computer und Telefone werden benutzt, bis sie nicht mehr repariert werden können.
Fallt ihr beim plastikfreien Einkaufen in den Läden auf?
Am Anfang war ich ein Sonderling. Einige Verkäufer*innen konnten sich sofort für das Thema erwärmen, andere waren ablehnend. In solchen Fällen bin ich einfach weitergegangen, ich wollte mich mit niemandem anlegen. Allmählich habe ich herausgefunden, wo die guten Adressen sind; zum Beispiel welcher Bäcker mir mit Freuden einen Laib Brot ohne alles in die Hand drückt, schließlich wollen wir auch wenig Papier verbrauchen. Insgesamt sind die Leute im Handel mittlerweile viel entgegenkommender, das Thema ist ja inzwischen viel in den Medien und mehr im Bewusstsein der Leute.
Geht es nur um Verpackungen?
Nein, auch das Thema Mikroplastik ist mir sehr wichtig. Mikroplastik entsteht größtenteils durch Abrieb oder Auswaschen, zum Beispiel durch Abrieb von Reifen beim Autofahren und von den Bremsklötzen, die mit vielen Chemikalien versetzt sind, damit sie beim Bremsen nicht schmelzen. Beim Fahrrad gibt es natürlich auch Abrieb, aber eben viel weniger. Seit Kurzem habe ich ein neues Fahrrad, das aus möglichst viel lokal produzierten und plastikarmen Komponenten zusammengesetzt ist. Reifen ohne Plastikabrieb gibt es aber leider noch nicht. Mikroplastik entsteht zum Beispiel auch durch Abrieb von Fahrbahnmarkierungen und Fassadenanstrichen. Vor allem entsteht es aber durch Waschen von Plastikkleidung, deshalb bemühe ich mich um einen Verzicht auf Polyester in der Kleidung. Bei uns gibt es inzwischen keine Plastik-Fleecejacken mehr, stattdessen verwenden wir Wolljacken. Wichtig für mich ist auch der Verzicht auf per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC)[2]. In Funktionskleidung wie Regenjacken stecken häufig PFC, die sich mit der Zeit auswaschen, in der Umwelt nicht abbaubar und gesundheitsschädlich sind. So ist es auch beim Teflon, mit dem Pfannen beschichtet sind. Wir benutzen stattdessen Pfannen aus Eisen. Inzwischen gibt es auch Regenjacken, Rucksäcke und Schlafsäcke, die nicht PFC-beschichtet sind
Was würdest du allen, die plastikarm leben wollen, mit auf den Weg geben?
Die Umstellung auf einen plastikreduzierten Lebensstil macht Spaß, lässt sich aber nicht über's Knie brechen; es braucht seine Zeit und Rückschläge gehören dazu. Lass dich nicht unter Druck setzen, wenn doch mal der Wunsch nach einer Tüte Gummibärchen aufkommt oder im Urlaub einfach nichts ohne Verpackung zu finden ist.
Foto: Hebi_B (pixabay.com)