Zero Waste Blog: Wie wäre es mit der Nullvariante?

Strohhalm Pixabay

Plastik ist völlig zu Recht in Verruf geraten, weswegen an vielen Stellen andere Materialien zum Einsatz kommen. Nicht alle Alternativen sind aber gesund und umweltfreundlich. Deshalb lohnt es sich immer wieder zu fragen, ob es die beste Alternative wäre, auf das Produkt ganz zu verzichten.

Sie sind so etwas wie das Symbol der Plastikwende. Trinkhalme sind für Menschen ohne Behinderungen ziemlich entbehrlich und dennoch in Bars, Haushalten und Müllkippen allgegenwärtig. So war es kein Wunder, dass eine überwältigende Mehrheit im Europäischen Parlament im vergangenen März dafür stimmte, die Hälmchen zusammen mit einigen anderen Plastikeinwegartikeln wie Plastikteller, Plastikbesteck, Luftballonhaltern und Wattestäbchen ab 2021 aus dem Verkehr zu ziehen.[1] Großer Applaus war den Parlamentarier*innen sicher, Folgeschäden nicht zu befürchten. Oder etwa doch?

Für körperlich beeinträchtigte Menschen kann ein Plastikstrohhalm ein Stück Selbstbestimmung bedeuten,[2] das jetzt in Gefahr ist, weil Milliarden anderer Menschen verantwortungslos mit Einwegplastik umgehen. Mehrfach nutzbare Alternativen aus Glas oder Metall kommen wegen der Verletzungsgefahr für stark Eingeschränkte nicht in Betracht.[3] Doch statt für diejenigen, die dringend auf flexible, nicht splitternde Trinkhalme angewiesen sind, brauchbare Alternativen zur Plastikvariante zu entwickeln, wirft die Industrie nun Halme aus vermeintlichen Alternativmaterialien auf den Markt – konzipiert für die Massen, für die die Trinkhilfe nicht lebensnotwendig, sondern einfach nur ein traditionelles Accessoire, ein Nice-to-have ist.

Röhrli mit Geschmäckli

Jetzt sind die Strohhalme also aus Papier. Und selbstverständlich wieder als Einwegprodukte konzipiert. Dass das nicht unbedingt gesund ist, zeigt ein Test aus der Schweiz. Das kantonale Labor in St. Gallen untersuchte zwölf unterschiedliche Trinkhalme aus Papier und fand in allen deutlich zu viele Chlorpropanole und Rückstände von Mineralöl.[4] Ersteres entsteht beim Bleichen des Papiers, zweiteres ist in Druckerfarbe enthalten. Schmecken kann man diese Stoffe übrigens auch: Proband*innen hatten bei Wasser, in dem zwei Stunden ein „Papierröhrli“ gelegen hatte, beim Blindtest erkannt und ihm einen „grusigen“ Geschmack attestiert.[5]

Trinkhalme sind aber nicht die einzigen Gegenstände, deren plastikfreie Variante gesundheitlich fraglich ist. Ende Juli veröffentlichte die Stiftung Warentest eine Studie, der zufolge die Mehrheit der getesteten Bambusbecher zu hohe Mengen Schadstoff freisetzen.[6] Das hat mit dem Klebstoff Melaminharz zu tun, der die Bambusfasern zusammenhält und die ungünstige Eigenschaft hat, sich aufzulösen, wenn er mit leicht sauren Flüssigkeiten und Temperaturen von über 70 Grad Celsius in Berührung kommt. Für Kaffee sind diese Becher daher keine guten Behälter. Als Konsequenz fordern Verbraucherschützer*innen ein Verbot von Bambusbechern mit Kunststoffanteil.[7] Dazu kommt, dass einige Bambusbecher irreführenderweise als recycelbar oder kompostierbar angepriesen wurden, was sie aufgrund des Kunststoffanteils aber nicht sind.[8]

Einweg aus anderen Materialien ist keine Alternative

Für die meisten Plastikeinwegartikel ist eine gesundheitlich und ökologisch unbedenkliche Alternative nicht in Sicht. So ist es beispielsweise völlig illusorisch, Plastik- oder Pappteller durch Einwegteller aus Holz zu ersetzen; für die dafür benötigten Holzplantagen fehlt schlicht der Platz. Wir können nicht die heute genutzten Plastikeinwegprodukte eins zu eins durch Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen ersetzen, wenn wir gleichzeitig Lebensmittel anbauen und auch noch ein bisschen Wildnis behalten wollen. Auch das sogenannte Bioplastik kann aus einer Vielzahl von Gründen die herkömmlichen Kunststoffe nicht ersetzen.[9]

Egal ob Strohhalm, Tüte, Besteck oder Becher: Die Alternativen zum Plastik haben erst dann eine bessere Ökobilanz, wenn sie mehrfach wiederverwendet werden. Was man nicht wiederverwenden kann, sollte man also erst gar nicht benutzen geschweige denn produzieren.

Foto: Karsten Paulick/pixabay